Ich habe Ihr Buch noch nicht ganz gelesen. Zunächst nur die Kapitel über die verschiedenen Zeichnerinnen und Zeichner, die mal eher dem Logos, dem Auge oder dem Leib den Vorrang geben – und die Einleitung. Und das ist schlüssig. Es gibt meist einen Fokus auf einen der drei Aspekte, doch niemand kommt nur mit einem Gebiet aus.
Volker Lehnert kenne ich schon lange und ich denke auch, dass er, obwohl sehr belesen und gebildet, dann beim Zeichnen den Leib und die Hand machen lässt, wobei das Auge häufig die Zeichenanlässe liefert. Und ich vertraue eben am meisten auf das Auge, obwohl man dem auch nicht immer trauen kann.
Wie alle drei – Logos, Auge. Leib – zusammenkommen und wie schwierig das oft ist, erlebe ich, wenn ich Perspektive unterrichte. Alle schönen Konstruktionen nutzen nichts, wenn man vergisst, sich den Raum oder das Objekt, das man perspektivisch zeichnet, auch einmal genau anzusehen. Oft ist es für eine überzeugende perspektivische Zeichnung besser, zunächst mal die Regeln der Konstruktion zu vergessen und einfach zu sehen und zu messen, was man da sieht. Wobei, einfach sehen, das geht auch nicht. Denn da sind all die Konventionen, das Wissen, das Bildergedächnis, die kulturellen Hintergründe. Ich denke, dass Dürer, Michelangelo, Degas, Picasso, Menzel, Rubens unglaublich viel wussten, analysiert haben, konstruieren konnten und es dann geschafft haben, beim Zeichnen und Malen nicht zu Sklaven des Wissens und des Logos zu werden. Und der Leib ist selbst bei extremen Augenmenschen immer dabei, denn die Hand zeichnet. Es ist immer ein Mensch, ein Lebewesen, das zeichnet. Keine Maschine. Die Zeichnung eines Menschen interessiert mich, Was eine Maschine macht, berührt mich nicht.
Man muss also eine Menge wissen, um dann wieder ausreichend vergessen zu können.
27.03.2020 M.B.